Landrat erlebt Handwerk mit Inklusion

Konzentriert schiebt Simon Ulm die nächste Sitzschale in die Schleifmaschine. Die Arbeit mit Holz liebt der 47-Jährige. Hier in der Lackiererei der Firma Walter Krenzer GmbH & Co KG in Frohnhausen hat der Mann mit kognitiver Beeinträchtigung über die Betriebsintegrierte Beschäftigung (BiB) der Lebenshilfe Dillenburg seit dem 1. Januar 2019 seine berufliche Heimat gefunden. Heute bekommen er und sein BiB-Kollege Christopher Rompf hohen Besuch.

„Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.“ Mit festem Händedruck begrüßt Landrat Carsten Braun Ulm an dessen Arbeitsplatz – und gratuliert persönlich zum Ehrentag. Mitgebracht hat der Driedorfer Politiker Zeit und Interesse. So erfährt er etwa, dass Ulm sich an seinem Arbeitsplatz sehr wohl und wertgeschätzt fühlt. Das zeigt auch das Geburtstagspräsent seiner Kollegen, das er stolz präsentiert: ein gerahmtes Bild von ihm mit der Aufschrift „Chef-Schleifer“. Die größte Herausforderung, wie Braun erfährt, ist der Arbeitsweg. Ulm fährt mit Bus und Bahn – nicht einfach für ihn, aber er schafft es. Fallen die Verkehrsmittel jedoch aus, wird das für den Medenbacher zum enormen Stressfaktor.

Den Arbeitsweg zu Fuß zurücklegen kann hingegen Christopher Rompf. Der 35-jährige Frohnhäuser startete direkt nach der Schule 2007 im Berufsbildungsbereich der Lebenshilfe. Nach Jahren in verschiedenen Werkstätten absolvierte er 2024 ein Praktikum bei Krenzer – und blieb. „Ich will hier nicht mehr weg“, sagt er mit einem Lächeln. Seit dem 1. Juni 2024 ist er offiziell Teil des Teams. Er montiert Tischgestelle, kontrolliert Stuhlrahmen, klopft Stopfen ein – ganz in seinem eigenen Tempo.
BiB bedeutet: Menschen mit Beeinträchtigung arbeiten in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarkts – mit individueller Begleitung und der Sicherheit der Werkstatt im Hintergrund. Derzeit gibt es 48 solcher Plätze in Kooperation mit der Lebenshilfe Dillenburg.

„Simon und Christopher erhalten ein echtes, passgenaues Angebot zur Teilhabe am Arbeitsleben“, erläutert Lars Lückoff, Bereichsleiter der Dillenburger Werkstätten. „Hier begegnet man sich mit Empathie, Respekt und Offenheit. Dies ermöglicht für beide weitere Chancen der individuellen beruflichen und persönlichen Entwicklung.“

Geschichten, Gesichter und Arbeitsplätze des BiB wird Braun nun häufiger kennenlernen. Mit seinem Amt als Landrat übernahm er auch bereitwillig die BiB-Schirmherrschaft seines Vorgängers und damit auch die Tradition, jährlich einen BiB-Partner der Dillenburger Werkstätten zu besuchen. „Schön, dass Sie die Schirmherrschaft übernommen haben für diese wichtige Brücke in den ersten Arbeitsmarkt“, betont Lebenshilfe-Vorstand Dr. Oliver Schmitzer. „Das trägt das Thema Inklusion weiter in die Öffentlichkeit.“

Das Familienunternehmen Krenzer fertigt seit über 80 Jahren Sitzmöbel und Tische von höchster Qualität. Aktuell sind dort 20 Mitarbeitende tätig. „Die beiden BiB-Mitarbeiter Simon und Christopher sind seit mehreren Jahren hierbei absolut integriert und in jeder Hinsicht eine große Bereicherung“, so Krenzer-Geschäftsführer Stefan Gottschlich. „Anfangs hatten wir natürlich ein paar Bedenken – aber die sind längst ausgeräumt. Heute ist es für uns eine Win-Win-Situation.“ Auch Betriebsleiter Thomas Debus spricht von zwei Beispielen gelungener Teilhabe und einer guten Zusammenarbeit mit den Dillenburger Werkstätten.

Landrat Braun bringt es zum Abschluss auf den Punkt: „Am besten ist’s doch, wenn man gar nicht groß darüber spricht oder nachdenkt – so wie hier. Daran zeigt sich gelebte Inklusion.“