„Menschen ein Zuhause geben“

„Gerd, das ist Herr Grüger. Der kommt aus dem Westerwald und arbeitet als Abgeordneter in Wiesbaden. Darf er sich mal dein Zimmer anschauen?“, fragt Armin Seibert, Leiter des Manderbacher Wohnheims, den schmalen Mann mit Brille, der vor ihm steht.

„Ei, ja klar. Komm mit.“ Der Bewohner macht eine einladende Handbewegung und öffnet stolz die Tür zu seinem Zimmer.  Sein eigenes Reich. Persönlich eingerichtet. Mit vielen Fotos an der Wand.

Recht auf private Rückzugsräume

Einzelzimmer sind bei der Lebenshilfe Dillenburg inzwischen Standard und wurden an allen Standorten umgesetzt. Zuletzt im Wohnheim in Niederscheld. „Menschen ein zu Hause zu geben bedeutet auch, ihnen private Rückzugsräume zu geben“,  begründet Wohnbereichsleiter Andreas Thamer die Entscheidung der Lebenshilfe Dillenburg gegen Mehrbettzimmer. Für die Lebenshilfe Dillenburg bedeutete diese Umsetzung  einen Kraftakt: „Die Aktion Einzelzimmer war für alle Beteiligten sehr aufwendig, die Kosten dafür wurden von uns als Verein überwiegend aus eigenen Mitteln gestemmt“, erklärt Lebenshilfe-Vorstandsmitglied Marita Wickel. Gesetzlich vorgeschrieben sind die Einzelzimmer in Behindertenwohnheimen bislang nämlich nicht. Daher leben bei  vielen anderen Trägern die Bewohner noch vorwiegend  in Zweibettzimmern.

Wohnheim; Besichtigung; Grüger; Politik

„Ein Skandal“, urteilt Landtagsabgeordneter Stephan Grüger (SPD). Nachdem er sich bereits im Juli einen Eindruck der Dillenburger Werkstätten verschafft hat, ist er nun zu Besuch in Manderbach, um sich dort ein Bild vom Wohnangebot der Lebenshilfe Dillenburg zu machen. „Jeder Mensch hat ein Recht auf Privatsphäre, eine Einzelzimmer-Regelung muss daher gesetzlich vorgeschrieben werden“, fordert er. „Ich werde mich dafür einsetzen und freue mich, dass die Lebenshilfe in meinem Wahlkreis so fortschrittlich ist und etwas auf die Beine gestellt hat, woran man sich orientieren kann.“  Insgesamt müsse man von Seiten der Politik viel mehr um die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention bemüht sein – und dafür auch die nötigen finanziellen Ressourcen zur Verfügung stellen. „Wer A sagt, muss auch B sagen.“

Freundschaftliches Miteinander mit den Nachbarn

Behinderte Menschen nicht einschließen, sondern einbinden – dafür ist das Manderbacher Wohnheim ein gutes Beispiel, wie der Sozialdemokrat von Wohnheimleiter Armin Seibert während des Rundgangs erfährt. Mit 40 Plätzen ist dies die größte Wohnanlage der Lebenshilfe Dillenburg. 1988 wurde das Wohnheim eröffnet. Seit jeher herrscht zwischen Nachbarschaft und Bewohnern ein freundschaftliches Miteinander durch stetige Begegnungen  – ob bei der Feuerwehr, im Tennisverein oder auch beim Friseur. „Wir sind gut in die Ortsgemeinschaft eingebunden“, bekräftigt Armin Seibert.

Die Lebenshilfe Dillenburg  hat vier Wohnheime mit 95 Dauer- und vier stationär begleiteten Plätzen, ein weiteres mit 23 Plätzen entsteht derzeit im Haigerer „Erlach“. Ambulant betreut der Verein zurzeit 106 behinderte Menschen.  „Dass die Zahl der stationären und betreuten Plätze so ausgeglichen ist, ist eine Quote, die sich hessenweit sehen lassen kann und uns sehr stolz macht“, erläutert Vorstandsmitglied Dirk Botzon.