Herzen erobert, Berührungsängste abgebaut

Tosender Beifall, strahlende Gesichter – der Aktionstag „Come together“ auf dem Hessentag in Herborn war für die Lebenshilfe Dillenburg ein voller Erfolg. Gemeinsam mit der Hessischen Bereitschaftspolizei hat der Verein, der seit 51 Jahren Menschen mit Behinderungen im nördlichen Lahn-Dill-Kreis betreut, am Montag mit einem vielseitigen Innen- und Außenprogramm Herzen erobert und Berührungsängste abgebaut.
Als einen „besonderen Tag der Begegnungen“ bezeichnete der Hessische Sozial-Staatssekretär Wolfgang Dippel die Veranstaltung bei ihrer offiziellen Eröffnung im Festzelt am Hintersand. Herborns Bürgermeister Hans Benner betonte, dass Menschen, die mit Behinderungen auf die Welt kämen, genauso zum bunten Bild des Hessentags dazugehören wie alle anderen auch. Sie seien einzigartig, echt, direkt, bereichernd in der Begegnung und wertvoll für die Gesellschaft, zitierte im Anschluss Jürgen Raab, der Aufsichtsratsvorsitzende der Lebenshilfe Dillenburg, aus dem Leitbild des Vereins.

Werkstattmesse im Außenbereich, Bühnenshow im Zelt 

Während im Außenbereich die Dillenburger Werkstätten eine eigene kleine Messe errichtet hatten und mit ihren Mitarbeitern Produktionsabläufe wie Montage, Kabelkonfektionierung und Aktenvernichtung live vor Ort zeigten, eroberten im Festzelt Menschen mit und ohne Behinderungen die Bühne. Anfang des Jahres  starteten die Proben in zahlreichen integrativen Projekten. Musik, Poetry Slam, Tanz, Theater, Jonglage – insgesamt stellten die rund 80 Teilnehmer für den „Come together“-Tag ein dreieinhalbstündiges Programm auf die Beine.

Den Beginn machte die Lebenshilfe-Band „Alles inklusive“, die sich mit Michael Müller von der „Öli Müller Bluesband“ professionelle Verstärkung besorgt hatte. Neben Titeln wie „Das Model“ überraschte die zehnköpfige Formation auch mit einigen Eigenkompositionen – und wurde prompt zu einigen Zugaben aufgefordert.
Mit eigenen Texten sorgte auch das Poetry-Slam-Projekt um Sascha Kirchhoff und Pauline Füg für so manchen Gänsehaut-Moment. Gemeinsam mit Menschen mit Behinderungen hatten die beiden bekannten Slammer Gedichte verfasst, die berührten: Ob Sascha Kirchhoff mit seinem Text über seinen Kumpel mit Down-Syndrom, Thomas Wörsdörfer, der ein Gedicht seiner Frau Anette Köhler vortrug, Hartmut Bodenhöfer, der nicht sprechen kann und seine Zeilen übers Tablet vorlesen ließ, Rudi Lauber, der über die Bedeutung von Freundschaft sprach, oder Pauline Füg, die von einer unerfüllbaren Liebe erzählte – die Worte erreichten zielgenau das Publikum.
 
“Der Funke ist schnell übergesprungen”

Dieses tobte, als die Teilnehmer der integrativen Tanzrevue unter der Leitung von Steffi Bertscheit gemeinsam mit Tänzern der Dillenburger Tanzschule Bös in vier Showtänzen gegeneinander antraten – und von einer dreiköpfigen Jury bewertet wurden. Ein Merengue zu „Pretty Woman“, ein Tango, ein Wiener Walzer und eine Blues-Brothers-Nummer zu „Everybody Needs Somebody“ begeisterten Zuschauer und Jury gleichermaßen. Spätestens beim Abschlusstanz zu „We Are Family“ hielt es fast niemanden im vollen Zelt mehr auf den Bänken.

Für Begeisterung und Partystimmung sorgte auch das integrative Theaterprojekt mit den Dillenburger Dellerleckern. Ein Mädelsabend auf der einen, ein Jungsabend auf der anderen Seite – auf kuriose Weise in der Gaststätte „Zum goldenen Hirsch“ zusammengeführt. Ein selbst erarbeitetes Stück unter der Leitung von Christiane Keller, das für viele Lacher sorgte und am Ende ebenfalls zum Mittanzen animierte.

Im darauffolgenden Programmpunkt tanzten unter anderem die Teller. Comedy-Jongleur Michael Wibbelt und sein Projektteam zeigten auch Artistisches, Zauberhaftes und Gewagtes: So bewegten sie sich unter anderem auf echten Glasscherben. „So viel Begeisterung wie bei der Lebenshilfe Dillenburg habe ich bislang noch in keinem Workshop erlebt“, schwärmte Wibbelt von den Proben.

Ins Schwärmen kam auch Schlagersänger Michael Heck, der zum Abschluss noch ein Kurzkonzert für seine „Freunde von der Lebenshilfe“ gab. „Wir sehen uns nicht regelmäßig, aber wir vergessen einander nie“, ließ der Eisemrother wissen. Die letzten Stücke wurden stimmlich begleitet von einigen Betreuten der Lebenshilfe, die sich zum Musiker auf die Bühne gesellten.

„Es war eine wunderbare Veranstaltung, der Menschen mit Handicap durch ihre Lebensfreude, Begeisterung und ihr Können ihren Stempel aufgedrückt haben“, sagte Dirk Botzon, Vorstandsmitglied der Lebenshilfe Dillenburg, abschließend. „Wir freuen uns sehr, dass der Hessentag eine solche Plattform bietet und der Funke so schnell auf das Publikum übergesprungen ist.“

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