“Arbeit kann man nicht spielen”

Teilhabe, langfristige Sicherung von Arbeitsplätzen und Kündigungsschutz – mit diesen Schwerpunkten haben sich kürzlich rund 40 Teilnehmer des fünften Jahrestreffens für gleichgestellte und schwerbehinderte Mitarbeiter der Firma Rittal in Herborn auseinandergesetzt.

„Es ist schön zu sehen, wie sich diese jährliche Veranstaltung entwickelt hat“, freute sich Regina Klein, Schwerbehindertenbeauftrage bei Rittal. „Angefangen haben wir damals noch mit zehn Teilnehmern. Die weiteste Anreise nehmen unsere Außendienstler aus Bietigheim für diesen Anlass in Kauf.“ Für insgesamt 79 gleichgestellte und schwerbehinderte Mitarbeiter aus den verschiedenen Rittal-Bereichen ist Klein zuständig. „Durch unser Jahrestreffen erhalten wir viele nützliche Informationen von Seiten verschiedener Ämtern und Einrichtungen.“ In diesem Jahr waren es Vertreter der Lebenshilfe Dillenburg, des Diakonischen Werks an der Dill und des Integrationsamts des Landeswohlfahrtsverbands (LWV), die als Referenten auftraten.

„Arbeit kann man nicht spielen.“ Mit diesen Worten eröffnete Ralf Turk, Bereichsleiter der Dillenburger Werkstätten, seinen Vortrag. In fünf Einrichtungen ermöglicht die Lebenshilfe Dillenburg Menschen mit seelischen und geistigen Behinderungen, die nicht, noch nicht oder nicht wieder auf dem ersten Arbeitsmarkt tätig sein können, die Teilhabe an Arbeit. Denn diese „ist etwas Elementares in unserem Leben und in unserer Gesellschaft“, so Turk weiter, bevor er die verschiedenen vielseitigen Produktionsbereiche und Außenarbeitsmöglichkeiten vorstellte. „Unsere Werkstätten sind eine Firma – fast“, sagte er schmunzelnd. Der große Unterschied jedoch sei, dass dort die Arbeit dem Menschen angepasst wird – nicht umgekehrt.  „Unser Ziel ist es, die persönlichen 100 Prozent eines jeden Einzelnen zu erreichen.“

Rittal; Behinderung; Vortrag; Werkstätten

Berufliche Perspektiven betreffen auch den Schaffensbereich des Integrationsfachdienstes des Diakonischen Werks an der Dill, dessen Aufgaben Katja Flick und Katrin Helsper im Rahmen des Jahrestreffens vorstellten. Das Ziel der Begleitung und Beratung sei eine langfristige Sicherung von Arbeitsplätzen für behinderte Menschen – „so weit es geht, so lang es geht“, betonte Flick. Dabei helfe es zu überprüfen, welche Vermittlungshemmnisse vorliegen und wie sie behoben werden können. Im Zuge ihrer Arbeit seien psychische Erkrankungen ein immer größer werdendes Thema.

Diese Tendenz bestätigte auch Christian Weller vom Integrationsamt des LWV Hessen, der in seinem Vortrag über den besonderen Kündigungsschutz von schwerbehinderten und gleichgestellten Angestellten  referierte. „Kündigungsschutz ist die Chance zum Konsens“, hob er hervor. Denn dadurch dass ohne Zustimmung des Integrationsamts keine Kündigung gegenüber einem behinderten Mitarbeiter ausgesprochen werden darf, seien zufriedenstellende Einigungen und Lösungen leichter erzielbar.

Als schwerbehindert gilt ein Mensch ab einem GdB (Grad der Behinderung) von 50. Menschen mit einem GdB ab 30 können sich gleichstellen lassen. Unternehmen, die mehr als 20 Mitarbeiter beschäftigen, sind gesetzlich dazu verpflichtet, mindestens fünf Prozent ihrer Stellen an Menschen mit Behinderungen zu vergeben. Erfüllen sie diese Quote nicht, sind sie zu Ausgleichszahlungen verpflichtet.

Regina Klein ist seit 1996 bei Rittal in Herborn beschäftigt. Sie ist Mitglied im Betriebsrat, in der Poststelle tätig und 2010 zur Schwerbehindertenbeauftragten gewählt worden. „Vielen Menschen sieht man ihre Behinderung nicht an, und trotz gesundheitlicher Einschränkung versuchen sie, im Alltag und am Arbeitsplatz ihre Leistung zu erbringen“, betont die 46-Jährige, die selbst von einem Handicap betroffen ist. „Meine Tätigkeit als Schwerbehindertenbeauftrage ist sehr vielfältig und macht mir viel Freude. Ich lerne, Menschen besser zu verstehen und sie in ihrem Arbeitsumfeld zu unterstützen.“