Wechsel in der Wohnbereichsleitung

Nach 24 Jahren bahnt sich ein Wechsel in der Leitung des Wohnbereichs der Lebenshilfe Dillenburg an. Andreas Thamer (65), der den Bereich 1996 aufgebaut und seitdem geleitet hat, tritt im März seinen Ruhestand an. Die Leitung übernimmt dann Tanja Rockensüß (51), die bis zum jetzigen Zeitpunkt die Einrichtungsleitung des neuen Wohnheims in Haiger innehatte. Ein gemeinsames Gespräch über Veränderungen, Fußstapfen und Bindungen innerhalb eines Bereichs, der weit vernetzt ist im nördlichen Lahn-Dill-Kreis.

Frau Rockensüß, erst 2017 haben Sie die Leitung des neuen Wohnheims in Haiger übernommen. Geschieht der Wechsel in die Bereichsleitung nun mit einem lachenden und einem weinenden Auge?

Tanja Rockensüß: Ich befinde mich aktuell in einer Art Zwischenwelt: auf der einen Seite die Einarbeitung meiner Nachfolgerin, auf der anderen Seite das Warten auf die offizielle Wohnbereichsübernahme. Eine Art Gemengelage: noch nicht ganz drin, aber auch noch nicht draußen. Aber dieser Übergang ist für mich vor allem eine spannende Zeit. Ich freue mich sehr auf die neue Aufgabe, auch wenn ich die täglichen Begegnungen mit den Menschen mit Behinderungen, das Spontane und Unmittelbare schon sehr vermissen werde.

Herr Thamer, wie geht es Ihnen mit dieser Situation?

Andreas Thamer: Nach 24 prägenden Jahren bei der Lebenshilfe Dillenburg stehe ich nun vor einem neuen Lebensabschnitt. Aber ich habe das Glück, etwas, das ich aufgebaut habe, in gute Hände abgeben zu können. An jemanden, den ich sehr mag und schätze. Die gemeinsamen beruflichen Vorerfahrungen  aus der Psychiatrie verbinden uns inhaltlich, wir haben beide eine Antenne für Menschen mit psychischer Problematik und auch darüber hinaus eine übereinstimmende Grundhaltung. Ich persönlich weiß, dass ich der Lebenshilfe verbunden bleiben werde. So wie auch schon nach meinem freiwilligen sozialen Jahr 1971/72 der Kontakt nie abgerissen ist. Die Lebenshilfe gehört für mich zur Heimat. Ich werde weiterhin Mitglied bleiben und auch weiter in unserer Schreibwerkstatt aktiv sein.

24 Jahre hat Andreas Thamer für die Lebenshilfe Dillenburg gearbeitet und seinen Beitrag dazu geleistet, für die Menschen mit Behinderungen Heimat zu sein, hier mit der Betreuten Edith Burbach aus dem Wohnheim Manderbach.

Was erhoffen Sie sich von der neuen Aufgabe, Frau Rockensüß?

Rockensüß: Ich hoffe, dass ich es schaffen werde, weiterhin dicht an der Basis sein und mir Zeitfenster schaffen zu können für regelmäßige Besuche in den Einrichtungen und die Teilnahme an Teamsitzungen. Vordergründig wird es zunächst wichtig für mich sein, die Belange der einzelnen Wohnheime und des Betreuten Wohnens besser kennenzulernen und unsere Grundkonzeption noch mehr im Alltag zu verankern.  Dabei wird mir die große Vernetzung innerhalb der Lebenshilfe enorm hilfreich sein.

Herr Thamer, was wollen Sie Ihrer Nachfolgerin für diese Aufgabe mitgeben?

Thamer: Sie selbst hat es schon angesprochen: die Präsenz gegenüber Klienten und Mitarbeitern ist wichtig. Außerdem: Gelassenheit. Die muss man sich erarbeiten, um auch in schwierigen und dringlichen Situationen nicht in Hektik zu verfallen, aber bei der Lebenshilfe haben wir gute Voraussetzungen, um gelassen zu sein. Wie sagst Du selbst immer, Tanja? „Einatmen, ausatmen, weiteratmen.“ (lacht) Auch wünsche ich Dir, dass es Dir gelingt, Deine eigenen Fußstapfen zu hinterlassen. Denn wer in die Fußstapfen anderer treten will, geht zwangsläufig einen Schritt zurück.

Frau Rockensüß, was nehmen Sie von Ihrem Vorgänger mit?

Rockensüß: Sein stets offenes Auge und offenes Ohr. Er hat immer frühzeitig gemerkt, was nötig war. So war er zum Beispiel der Vorreiter in der Einführung der Methodik der entwicklungsfreundlichen Beziehung. Er war immer da, wenn man ihn brauchte, und derjenige, der Lösungen angeboten hat.

Arbeiten bei der Lebenshilfe Dillenburg bedeutet für Sie…

Thamer:  … dem Namen entsprechend, zum Leben helfen und beim Leben helfen. Lebensräume und eine Autonomie in sozialer Gebundenheit zu geben. Heimat für Menschen zu sein. Was ich bei der Lebenshilfe als Handlungsstrategie in all den Jahren immer wieder erlebt habe: Geht nicht gibt’s nicht. Die Lebenshilfe Dillenburg ist gut strukturiert, aber gleichzeitig unkompliziert – insbesondere durch ihre flache Hierarchie. Wir sind gut aufgestellt für eine Zeitenwende in jeglicher Hinsicht, auch in der Umsetzung des neuen Bundesteilhabegesetzes oder der UN-Behindertenrechtskonvention.

Rockensüß: …  Beziehung gestalten und nah am Menschen zu sein. Echt, wertschätzend und einfühlsam zu sein. Einen Menschen wahrzunehmen, wie er ist. Denn jedes Verhalten hat seinen Grund und in der Logik desjenigen auch einen Sinn. Daher ist es unsere Aufgabe, nicht den Menschen an den Rahmen anzupassen, sondern den Rahmen an den Menschen.

Beziehung gestalten und nah am Menschen sein – eine Aufgabe, die sich Tanja Rockensüß (hier mit dem Betreuten Dominik Knöbel) zu Herzen nimmt.