Die Folgen der “maximalen Isolation”

Corona und die Folgen: Abbau persönlicher Treffen, überdauernder sozialer Rückzug, weniger körperliche Aktivität, Lethargie. Gerade bei Kindern hat die Pandemie Spuren hinterlassen. Davon hat kürzlich Dr. Christoph Andreis, Leiter der vitos-Kinder- und Jugendklinik für psychische Gesundheit Herborn, im Netzwerktreffen der interdisziplinären Frühförder- und Beratungsstelle der Lebenshilfe Dillenburg berichtet.

Nach pandemiebedingter Pause hat die interdisziplinäre Frühförder- und Beratungsstelle wieder ihre Kooperationspartner für Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie zum Netzwerktreffen nach Burg eingeladen – ein wertvoller Austausch für eine umfassende Begleitung von Kindern bis zum Alter von sechs Jahren, die entwicklungsverzögert, behindert oder von Behinderung bedroht sind. Diesmal auch dabei: zahlreiche Kinderärztinnen und -ärzte, die dem Vortrag von Andreis beiwohnten.

„Als 2020 die ersten Corona-Fälle auftraten, wusste keiner von uns, was für eine herausfordernde Zeit auf uns zukommen würde“ blickte Frühförderstellenleiterin Ute Eschenbach eingangs zurück. Nach einem achtwöchigen Betretungsverbot zählte jedoch die Frühförderung zu den ersten Einrichtungen, die ihre Dienste in Präsenz wieder anbieten durften.

Die Zeit der „maximalen Isolation“ hatte auch Auswirkungen auf die psychiatrische Versorgung von Kindern. So war während des Lockdowns die vitos-Klinik deutlich leerer, Sprechstunden fanden zunehmend per Videokonferenz statt. Doch hat die Phase über die Lock-Downs hinweg Spuren hinterlassen und einen „neuen Normalzustand“ kreiert, wie Andreis festhielt. Ein Normalzustand, der eine Verlagerung ins Digitale beinhaltet. Ein Normalzustand, der durch den Wegfall von Kindergartenkontakten bei Schulanfängern für „nennen wir es ausgeprägte Fremdel-Erscheinungen vor dem Schritt in die Schule“ sorgten, wie Andreis sagte. Kinder seien weniger gefördert, vorbereitet und geübt. Auch habe gerade bei Kindern mit Migrationshintergrund häufig der sprachliche Input gefehlt, was den Start in die Schule erschwere, kam es ergänzend aus der Runde.

Von einem Mehr an stationären Behandlungen konnte Andreis nicht berichten – „zumindest nicht bei uns in Herborn“. Deutlich angestiegen seien hingegen die ambulanten Vorstellungen in der Klinik – 25 bis 30 Prozent mehr als noch vor der Pandemie. Einen Grund in diesem Anstieg sieht Andreis in einem familiären „System, das nicht mehr trägt“, weil vorherige Stressbewältigungsmechanismen nicht mehr ausreichend wirken oder teils verloren gegangen sind.

Doch nicht allein die Pandemie stand im Mittelpunkt des Abends, sondern am Ende auch Eschenbach, die nach 33 Jahren Lebenshilfe Dillenburg vom Netzwerk mit zahlreichen Geschenken und großem Dank für ihr großes Engagement in den bevorstehenden Ruhestand verabschiedet wurde. „Die Frühförderung – das war mein Herzensding“, sagte sie und dankte den Partnern für das „große Vertrauen in unser Haus und in unsere Arbeit“. Eine Leitung sei nur so gut wie das Team, das hinter einem stehe, und sie sei dankbar, in ihrer bisherigen langjährigen Stellvertreterin Katharina Warburg die Frühförderstelle und auch das Weiterbestehen des Netzwerks in so guten Händen zu wissen.